erstmal neues
Die Tage Neuer Musik 2020 beschäftigten sich zum zweiten Mal mit der Musik unserer Zeit. Das Publikum war erneut begeistert.
Von Andreas Meixner 23. Januar 2020
Der Beifall mag nicht aufhören, am Ende der diesjährigenTage Neuer Musik an der Hochschule für Kirchenmusik und Musikpädogik (HfKM). Der Applaus gilt dem französischen Starorganisten Thierry Escaich, dessen Improvisationskunst an der Orgel im Konzertsaal der Hochschule die Zuhörer atemlos und begeistert zurücklässt. Es ist einer von vielen Höhepunkten in sieben Festivaltagen, an denen der neuen Musik in Vorträgen, Workshops, Konzerten und in Gottesdiensten nachgespürt wurde.
Es ist das zweite Mal, dass diese Tage im Januar stattfinden. Entstanden aus der vielbeachteten Konzertreihe „Erstmal Neues“ des Neuen Kammerchors der Hochschule unter der Leitung von Prof. Kunibert Schäfer stand nun eine ganze Woche lang die Neue Musik im Brennpunkt. Wie schon im vergangenen Jahr eröffnete Oliver Messiaens „Quatuor pour la fin du temps“ am Jahrestag seiner Uraufführung (15. Januar 1941) die Festivaltage mit einer zwingenden und bewegenden Aufführung. Das ist der Beginn einer Tradition, als Reminiszenz in vielerlei Hinsicht, aber auch als ständige Eingangspforte für all das, was in den Tagen der Begegnung mit der Musik passiert.
Workshop mit Starorganist
Es warten zwei Tage intensiver Beschäftigung mit dem Sologesang des 20. und 21. Jahrhunderts. Für die kurzfristig erkrankte Angelika Luz übernahm Viktoriia Vitrenko den Workshop und lockte die aktiven Kursteilnehmer über ihre Grenzen sängerischer und körperlicher Ausdruckskraft. Dass Musik den ganzen Körper, den ganzen Menschen in Anspruch nimmt, ist keine neue Erkenntnis, allerdings wurde genau das in der faszinierenden Arbeit mit der ukrainischen Spezialistin wieder deutlich spürbar und sichtbar. Der künstlerische, individuelle Ausdruck ohne jegliche Hilfsmittel außer der eigenen Stimme wurde zum Bild, das die weiteren Tage nachhaltig prägen sollte.
Tage Neuer Musik
Das diesjährige Leitthema „Monologe_Dialoge“ griff das Konzert am Dienstagabend auf, der sich mit seinem Programm vor dem wegweisenden, 1970 verstorbenen Komponisten Bernd AloisZimmermann verbeugte. Studierende und Lehrende der Hochschule zeigten sich als versierte Interpreten neuester Musik, ob auf der Orgel oder am Flügel.
Musik mit dem ganzen Körper
Konzert am Freitag 26.01.2018
Konzertreihe muss ihr Profil schärfen
Trotz hervorragender Leistungen der Künstler blieb die Veranstaltung „erstmalneues“ hinter den Erwartungen. Andreas Meixner / MZ vom 28. Januar 2018
Die Geschwister Anna Maria und Michael Wehrmeyer Foto: Schmucker
REGENSBURG.Am Nachmittag des Konzerttags fand der Begriff „erstmalneues“ zunächst eine völlig andere Umsetzung. Um den Musikpädagogen Stefan Huber versammelte sich im Foyer eine große Schar Kinder, um Instrumente aus aller Welt zu erleben und auszuprobieren. Das war für alle Beteiligten ein großes Vergnügen, in Muscheln zu blasen, an exotischen Klangbrettern zu zupfen oder zu afrikanischen Rhythmen die Hüften zu schwingen.
Am Abend stand dann im Konzertsaal der Hochschule die Musik zeitgenössischer Komponisten auf dem Programm. „The young person`s guide to the organ“ für Orgel und Sprecher von Harald Feller erwies sich zum Anfang als nett arrangierte und konzipierte Orgeleinführung, die jedoch zusammen mit dem arg braven und betulichen Text nicht so recht zünden wollte. Das gelang Enjott Schneider mit seiner Vertonung von drei Märchen für Erzähler und Orgel viel besser. Mit seiner großen Erfahrung als Filmkomponist erwies er sich als geschickter Illustrator der kurzen Geschichten, die abwechselnd von Organisten der HfKM und Studierenden der Sprecherziehung an der Universität Regensburg vorgetragen wurden. Dazwischen gaben die Geschwister Anna Maria und Michael Wehrmeyer an der Violine und dem Violoncello mit dem fünfsätzigen Werk „Rejoice“ von Sofia Gubaidulina eine atemberaubende Kostprobe ihrer früh entwickelten Virtuosität und Technik, aber auch ihres Verständnisses für die Extremen der hochkomplexen Musikwelt der russischen Komponistin.
Unter der Leitung von Christoph Schäfer betrat dann der Neue Kammerchor der Hochschule für Katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik das Podium, um jüngste Kathedralmusik aus England zu präsentieren. Mit Owain Parks diffizilem Chorwerk „Tomorrow shall be my dancing day“ zog das Ensemble alle klangschönen Register homogener Gesangskultur und klarer Deklamatorik. Mit sicherer Intonation und filigraner Ausdruckskraft bestach der Chor auch bei den drei ruhigen Stücken von Alexander l`Estrange unter dem Titel „Prayers for Peace“, ehe unter dem besonnenen und exakten Dirigat von Christoph Schäfer das „Magnificat“ und das „Nunc dimittis“ aus der gleichen Feder hell erstrahlten – kraftvoll und nobel. An der Leistung der Instrumentalisten, Sprecher und Sänger lag es ohnehin nicht, dass die Konzertreihe im neunten Jahr ihres Bestehens ein wenig blass blieb. Vielleicht mag es daran liegen, dass diesmal Uraufführungen fehlten. Auch kann es sein, dass bis auf das Werk von Sofia Gubaidulina keine echten, klanglichen Herausforderungen auf das Publikum warteten.
Es scheint, als wenn die Idee „erstmalneues“ zum zehnjährigen Jubiläum in 2019 einer Profilschärfung und Ausbau bedürfe, hin zu einem mehrtägigen Festival mit wechselnden Spielorten, Workshops, Diskussionspodien, sowie internationalen Persönlichkeiten. Nach den ersten Jahren der Entwicklung ist ein vielversprechender Anfang gemacht, der nun wachsen und gedeihen sollte. Wer die handelnden Personen kennt, muss sich darüber aber keine Sorgen machen.
Konzert am Freitag 27.01.2017
MZ Artikel vom 30.01.2017
Sänger wurden im „Trichter“ gurrend umgarnt
Konzert: Neue Musik in der Hochschule für Kirchenmusik mit kurzweiligen und dramatischen Stücken sechs jüngerer Komponisten zum Thema „Zeitfiguren“ von Michael Scheiner.
Es ist auch im achten Jahr noch ein zartes kulturelles Pflänzchen, die Konzertreihe „erstmalneues“. Dabei stellen Studierende der Hochschule für Kirchenmusik aktuelle Musik zeitgenössischer Komponisten vor.
In diesem Jahr stand das Konzert im Konzertsaal der HfKM unter dem Motto „Zeitfiguren“, einem zentralen Bestandteil des Lebens also. Denn Leben und Dasein besteht nur in der Zeit, die sich wiederum aus der Bewegung ergibt. In nahezu voll besetzten Konzertsaal wurden an dem Abend sechs Stücke aufgeführt. Den ganzen ersten Teil vor der Pause nahm das titelgebende, sechssätzige Werk von Dominik Susteck für Orgel ein.
Augustin Mejia Vargas, Sebastian Greß und Veit Pitlok wechselten sich an der am Dach kratzenden Orgel ab und stellten jeweils zwei Sätze der stark auf Klangfarben, einzelnen gehaltenen Tönen, Stimmungen und mechanistisch wirkenden Konstruktionen abzielenden Komposition vor. Vom gedeckten zögerlichen Ton über die Rechthaberei eines penetranten Akkords bis zur energetischen An- und Abschwellen mächtiger Klangwellen taucht darin allerhand von Kratzbürstigkeit, flächigen clusterartigen Klängen bis zu meditativen Momente auf. Ein zentrales Moment von Zeitlichkeit und Leben allerdings findet sich nirgends in Sustecks „Zeitfiguren“ – Rhythmus. Selbst einige kurze repetitive Formen liessen kein rhythmisch strukturierendes Gefühl aufkommen. Anmerkungen des in Köln lebenden Komponisten im Programmheft zu den „Strahlen – Verschlungener Gang – Zeit – Leuchten – Akkordecho und Warten“ überschriebenen einzelnen Abschnitten trugen nicht wirklich zum Verständnis bei. Eine Aufteilung der sechs Sätze zwischen den nachfolgenden Vokalwerken wäre möglicherweise wirkungsvoller gewesen und hätte stärkere Akzente gesetzt.
Starkes Stück von Schachtner
Eine Zeile aus Mozarts „Ave verum corpus“ verwendet der Münchner Johannes X. Schachtner für seine spannungsreiche Komposition „…in cruce pro homine…?“ für Chor, Streicher und für zwei Trompeten (Sophia Hofmann, Paul Windschüttel) und Schlagwerk (Antonino Secchia), die im Saal verteilt ein besonderes Hörerlebnis verschaffen. Der erhabenen Schönheit und Ruhe von Mozarts Original werden scharfe Schnarrlaute einer Ratsche, wie sie Ministranten in der Karwoche benutzen, und prägnant herbe Klänge im Orchester entgegengestellt. In der Umkehrung der ursprünglichen Komposition wird die Aussage von Christus, der für uns am Kreuz gestorben ist, in seiner erschreckenden Brutalität hinterfragt. Ein starkes aufrüttelndes Stück Schachtners.
Die übrigen vier Vokalwerke sind alle von jungen Tiroler Komponisten aus der Klasse von Franz Bauer am Tiroler Landeskonservatorium aus einer Lehraufgabenstellung entstanden. In „lod.ler fantastique“ kombiniert Christian Gamper einen Jodler als volksmusikalisches Element aus seiner Kindheit auf der Alm mit einem gregorianischen Choral. In „5 Improstationen“, wie er es nennt, durchwandern der lateinische Hymnus und der Jodler den Tag in fünf Stationen, vom Erwachen mit einem Summton bis zum Vergehen des Lichts und der Stimmen am Abend. Christian Morgensterns amüsantes Gedicht „Die Trichter“ verarbeitete Andrea Oberparleiter zu einem ebenso heiteren und kurzweiligen Stück. Ursprünglich für acht Frauen- und drei Männerstimmen komponiert, keilten die Sängerinnen des HfKM-Konzertchores die Männer trichterförmig ein und umgarnten sie mit Summ- und Gurrlauten und auf- und absteigenden Motiven. Die Männerstimmen sangen währenddessen den Text des Morgenstern-Gedichtes und hatten sichtlich und hörbar Vergnügen an der ungewohnten Situation.
Eine junge Frau begehrt auf
Nachdem sich der Chor wieder in gewohnter Form aufgestellt hatte, stellten die Sänger unter der engagierten Leitung von Kunibert Schäfer „La Monica“ von Florian Rabl vor. Der Tiroler wählte für seine zweiteilige Komposition für vierstimmigen Chor ein populäres Lied der Renaissance, das von einer jungen Frau handelt, die keine Nonne werden will. Einem freien ersten Teil stellte er einen zeittypischen zweiten Satz im Renaissancestil gegenüber. In der letzten Zeile gipfelte das Aufbegehren der jungen Frau in einer dramatisch wilden Improvisation, bei dem jeder Sänger „possela creppar“ immer heftiger im jeweils eigenen Tempo wiederholt und hervorstößt.
Einen Text von Rainer Maria Rilke, „Hollawind“, hat sich René Schützenhofer aus Tirol für sein gleichnamiges Stück anverwandelt. Der Hochschulchor wurde dabei im zweiten Teil von Secchia auf einer Djembe mit einem langsamen Pop-Groove begleitet. Der Konzertchor ebenso wie der Neue Kammerchor der HfKM bestachen durchweg im zweiten Programmteil mit klarer Diktion und differenziertem Ausdruck bis in die feinsten Klangschattierungen und dynamischen Feinheiten hinein. Ihnen zuzuhören war eine Freude und trägt sicher auch in Zukunft dazu bei, die gern als schwierig und kompliziert geschmähte zeitgenössische Musik auch einem breiteren Publikum näher zu bringen.
Fotos EN8: Michael Scheiner
Freitag 22.01.2016
e r s t m a l n e u e s 7
"7ieben"
Die anwesenden Komponisten:
Marco Döttlinger, Matthias Leboucher, Enjott Schneider, Steven Heelein, Josef A. Ramsauer (Foto Eva-Maria Leeb)
Schattenklänge und
effektvolle Sounds
„Erstmal Neues“: Der Neue Kammerchor der Kirchenmusikhochschule in Regensburg präsentierte zeitgenössische Musik. Gerhard Dietel, MZ / 25.01.16
REGENSBURG. Die Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik hat sich in den letzten Jahren zu einem der wenigen Orte in Regensburg entwickelt, wo zeitgenössische Musik Aufmerksamkeit genießt. „Erstmal Neues“ heißt die Devise für die nun schon im siebten Jahr im Konzertsaal des Instituts stattfindende Veranstaltungsreihe des Neuen Kammerchors, die lebenden Komponisten ein Forum bietet.
Was denn „Neue Musik“ sei, darüber wurde zuvor in einem Podiumsgespräch diskutiert, ohne ihren Ort zwischen Vergangenheitsbezug und freiem Experiment, zwischen Mainstream und Nischenexistenz fixieren zu können. Mehr oder weniger dicht in Richtung dieser gegensätzlichen Pole bewegen sich die während des darauffolgenden Konzerts erklingenden Musikstücke, die von Studierenden des Hauses sowie vom gastierenden Ensemble Names aus Salzburg einer neugierigen Zuhörerschaft präsentiert werden.
Die Musik als Raumerlebnis Als pfiffig weiterentwickelte Tradition erweist sich das „Gloria“ aus Franz Josef Stoibers „Missa inglese“, dessen treibenden 7/8-Metren und farbigen Harmonien der Neue Kammerchor wirkungsvoll Gestalt gibt. Ebenso eindrücklich präsentiert der Chor unter Kunibert Schäfers Leitung später das „Audi filia“ Giovanni Bonatos mit seinen rätselhaften Textcollagen als Raumerlebnis, bei dem die Singenden ihr Publikum umringen und den sanften Vokallinien noch die magischen Klänge angestrichener Gläser hinzufügen.n sollte.
Ausgesprochen Experimentelles bieten dazwischen drei junge, in Salzburg studierende Komponisten mit ihren Uraufführungen: Marco Döttlinger mit „wie honig im meer“, Josef Ramsauer mit „7 Splitter“ und Matthias Leboucher mit „Stumpf“. Allesamt setzen sie in ihren kammermusikalischen Partituren auf sparsame Einzelereignisse, die sich verdichten und wieder dissoziieren. Bläser und Streicher des New Art and Music Ensemble Salzburg realisieren ihre Partituren, denen Live-Elektronik Echos und Schattenklänge hinzufügt, die den akustischen Raum vervielfältigen: meist dezent im Hintergrund bleibend, doch sich gelegentlich auch bedrohlich hochreckend. Improvisationen am Flügel sind dazwischen eingeschoben.
Der Regensburger Pianist Lorenz Kellhuber scheint nach Döttlingers Stück zunächst an dessen Stimmung und Motivik anzuknüpfen, lenkt sein höchst beeindruckendes Spiel aber zunehmend auf eigene Pfade, in denen die Stegreifkunst des Jazz mit geradezu Lisztscher Virtuosität und Erinnerungen an impressionistische Klavierkunst eine neue spannende Einheit ergibt.
Den Abschluss bilden zwei Vertonungen der „Sieben letzten Worte“ Jesu, wie sie gegensätzlicher nicht sein könnten. Steven Heeleins Fassung für Streichsextett übt Zurückhaltung: mit dunklem Doloroso der tiefen Streicher, zwischen denen auch hellere Paradies-Visionen aufscheinen, und großer Ruhe, die nur im Schlusssatz einmal erregten „Terremoto“-Tremoli weicht. Enjott Schneiders Vokalwerk für gemischten Chor, Englischhorn, Posaunen, Percussion und Orgel macht das Geschehen am Kreuz dagegen geradezu zum effektvoll inszenierten Filmgeschehen: Golgotha goes Hollywood.
weitere Infos unter
www.erstmalneues.com
http://www.facebook.com/erstmalneues
Freitag 30.01.2015
e r s t m a l n e u e s 6
GRENZENLOS
Ein beeindruckender Klangrausch
von Andreas Meixner, MZ am 02.01.2015
Foto: Meixner / Sängerinnen des Hochschulchores
Neue, spannende Hörerlebnisse beim Konzert „erstmal neues“
an der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik
Die Konzerte der traditionsreichen Hochschule für Kirchenmusik gewinnen zunehmend an Profil. Noch fehlt die überregionale Ausstrahlung, doch der Weg dorthin ist mit viel Engagement eingeschlagen. Dies zeigte auch das jüngste Konzert aus der Reihe mit dem frechen Titel „erstmal neues“, mit Werken zeitgenössischer Komponisten. Im Mittelpunkt stand die Uraufführung der „Messa di Ratisbona“ für vier Chöre unisono und Orgel des italienischen Komponisten Biagio Putignano (geb. 1960), der zusammen mit der jungen Tiroler Komponistin Manuela Kerer (geb. 1980) auch anwesend war. Zuvor waren zwei kurze, lateinische Motetten und Instrumentalwerke Putignanos im Fokus der Aufmerksamkeit. „Audi, benigne conditor“ und „Ave maris stella“ zeigen ihn zunächst als gemäßigt modernen Tonschöpfer, der sich durchaus in der klassischen Tradition der Kirchenmusik verhaftet sieht. Von der Empore aus gestaltete der Neue Kammerchor die beiden schlicht gehaltenen a- cappella-Sätze unaufgeregt und mit viel Gespür.
Erstaunliche Leistungen Die Instrumentalwerke hingegen zeigten deutlich die intensive Beschäftigung mit der experimentellen, avantgardistischen Kompositionstechnik. Die Kirchensonate für zwei Violinen, Orgel und Cello über dem Choral „Rosa rorans bonitatem“ ist radikal auf der Klangsuche, bietet aber immer noch dem konzentrierten Zuhörer genug Struktur zur Mitverfolgung an. Im Dialog steht die Orgel in aufgeregten, fast peitschenden Auf- und Abwärtsbewegungen mit den Streichern, die in breiten, später kurzen, engen Harmoniefolgen antworten. Erstaunlich schon hier, zu welchen enormen Leistungen die Instrumentalklassen der Hochschule auch außerhalb der Tasteninstrumente in der Lage sind. Auch Zeno und Severin Schmid machten mit Ihrer packenden Interpretation von „Atlante dell’Immaginazione“ für Violine und Klavier den Eindruck, als wäre neue Musik ihr täglich Brot. Zur Aufführung der „Messa di Ratisbona“ stellten sich dann vier, gemischt besetzte Chöre in die Ecken des Konzertsaals auf, aus der Mitte – in der Tradition der römischen Mehrchörigkeit - von Steven Heelein dirigiert. Beginnend mit einem „Laudate Dominum“ entsteht über die folgenden Ordinariumsteile der lateinischen Messe ein großer, beeindruckender Klangrausch mit weitgehend einstimmigen, den gregorianischen Choral zitierenden Linien, die zeitversetzt beginnen und wieder zueinanderfinden. Die größte Herausforderung liegt dabei im exakten Miteinander zwischen den weit auseinanderstehenden Sängergruppen und der Koordination mit dem schwer beschäftigen Organisten. Eine Messvertonung, die im Kirchenraum sich sicher noch mehr entfaltet und zur vollen Blüte gelangt. Wichtig für die Musikpraxis aber auch, dass die Partitur auch von einem guten Laienchor jederzeit zu erarbeiten ist.
Musik, die sich im Raum verteilt Manuela Kerers Musik steht in ihrer Wirkung dem in nichts nach. Im Kreis rund um die Zuhörer bewegt sich der Chor summend, kichernd, weinend und mit allerlei anderen Geräuschen, die in der kleinen, italienische Stadt Asagio nachts so zu hören sind. Darüber öffnet sich wie ein Bachscher Choral vierstimmig ein melancholisches Volkslied in der fast vergessenen, zimbrischen Sprache. Ähnlich funktioniert „Friduscal“ für Violoncello-Sextett, das sich im Raum verteilt. Aus engen, weiten Clusterharmonien bricht sich die innige Friedensbitte „Du Friedefürst, Herr Jesus Christ“ von Bach seine Bahn. Das ist berührend und beeindruckend zugleich. Den Abschluss bilden zwei wunderbar lyrische Werke des norwegischen Komponisten Ola Gjeilo (geb.1978), die noch einmal die Leistungskraft und das großartige Können der Sänger und Instrumentalisten fordert. Nach einem solchen Abend macht man sich für kurze Zeit wenig Sorgen um die Zukunft der Kirchenmusik.
Freitag 24.01.2014
e r s t m a l n e u e s 5
Thema: neues aus Bayern und Böhmen
Ganz neue Töne machen neugierig
Das fünfte Konzert der Kirchenmusikhochschule Regensburg in der Reihe „erstmal neues“ bot drei Uraufführungen, und das Publikum kam erneut in Scharen.
Die Reihe „erstmal neues“ an der Regensburger Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädogogik wird immer beliebter. Foto: MZ-Archiv
VON GERHARD HELDT, MZ
REGENSBURG. 2010 hat die Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik die Reihe „erstmal neues“ gestartet. Betreut von Prof. Kunibert Schäfer, hat sie so viele Liebhaber gefunden, dass der Konzertsaal der HfKM beinahe zu klein wurde. Erstmals waren auch Gäste aus Tschechien eingeladen. Wie gewohnt gab es eine Mischung aus älteren und jüngeren Werken des 21. Jahrhunderts. Drei der vorgestellten Werke waren Uraufführungen. Von sechs gespielten Komponisten waren vier anwesend: Enjott Schneider, aus dessen achtsätzigem Zyklus „Baumbilder. Suite für Orgel“ (UA) vier Sätze zu hören waren. Ex-Domspatz Alexander Maria Wagner (Jhg. 1995) steuerte „Einer Vorübergehenden“ aus dem Zyklus „Es weint die Nacht…“ nach Texten von Georg Trakl (2012, UA) bei. Das 3. Streichquartett von Pavel Stádník (Jhg. 1987) wurde in diesem Konzert erstmals präsentiert und von Johannes Köppl (Jhg. 1985) kam der Pfingsthymnus „Veni, Creator Spiritus“ zur Aufführung.
Trauerweide und glückliche Esche
Bei den Kelten wurden jedem Baum Eigenschaften zugeschrieben. In Schneiders Zyklus steht die Birke für den schöpferischen Frühling, die Weide für Trauer, der Apfelbaum für Liebe und die Eberesche für Feingefühl und Glück. Stefan Baier ließ an der Goll-Orgel diese Gedanken und Gefühle in Tönen glaubhaft erlebbar werden.
Alexander Maria Wagner lernt bei Franz Hummel neben dem Klavierspiel auch das Handwerk des Komponierens, wobei ihm der Lehrer relativ freie Hand lässt. Seine Vertonung der „emotionalen Natursprachgewalt“ Trakls (A. M. Wagner) kleidet er in eine spätestromantische Tonsprache. Der Neue Kammerchor der Hochschule leistete hier Mustergültiges an Intonation und Textverständlichkeit.
Die dritte Uraufführung, das Streichquartett Nr. 3 von Pavel Stádník, zog sich, wie es schon bei zwei seiner Sätze für diese Besetzung zuvor war, etwas in die Länge; der junge Tscheche liebt die Minimal Music von Steve Reich, und er macht reichlich Gebrauch vom Stil dieses Vorbilds. Anhaltende Wiederholungen von musikalischen Kleinstpartikeln wirken schnell ermüdend, obschon sich der Komponist um formal klar voneinander abgegrenzte Abschnitte bemüht. Das Ancerl-Quartett aus Prag zeigte sich den hohen technischen Anforderungen ebenso souverän gewachsen wie der enormen Zählarbeit.
Moderat moderne Tonsprache
Begonnen hatte das Konzert mit zwei äußerst knapp gehaltenen, den lateinischen mit einem englischen Text vermischenden Sätzen „Miserere“, „Agnus Dei“ und „Dona nobis pacem“ aus dem Zyklus „Mondi paralleli“ von Jan Jirásek, denen nach der Pause zwei ebenso aphoristische aus demselben Zyklus folgten. Köppls Version des Pfingsthymnus „Veni, Creator Spiritus“ wandelt auf bekannten Pfaden, unterstreicht mit individueller, moderat moderner Tonsprache den geistigen Gehalt des tradierten Gesangs.
Das Finale brachte den Hochschulchor, den Neuen Kammerchor mit kleinen Soli, Paul Windschüttl und Andreas Stegmüller (Trompete), Helmut Schätz und Matthias Dietz (Posaune) und Roman Emilius (Orgel) zusammen, um die „Missa brevis“ von Wolfram Buchenberg vorzustellen, ein zum Monumentalen tendierendes Werk, das aber auch nach innen gekehrte Passagen kennt. Hier wie zuvor erfreute der Neue Kammerchor mit präziser Diktion und flexibler klanglicher Gestaltung.
Fotos: Maximilian Bieberbach
Beschwörung in neuem Gewand
„Erstmal Neues“: Ein interessantes und großartiges Konzert von Hochschulchor und Neuem Kammerchor an der Kirchenmusikhochschule
von Gerhard Dietel, aus MZ Regensburg am 30.01.2013
REGENSBURG. „Erstmal Neues“: Unter dieser Devise steht eine Veranstaltungsfolge der „Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik“, die sich zum Ziel gesetzt hat, Werke der jüngsten Vergangenheit zu präsentieren. Die gezielt dem 21. Jahrhundert entstammende geistliche Musik, welche am inzwischen vierten Abend dieser Reihe im Konzertsaal der HfKM ertönt, sucht ihre Wurzeln freilich häufig in der Tradition des Gregorianischen Chorals, wie gleich im Eröffnungsstück deutlich wird.
Der „Neue Kammerchor“ der Hochschule lässt unter Leitung von Kunibert Schäfer Hans-Stephan Martins „Cantatibus organis“ aus sparsamen Linien allmählich zum Vollklang wachsen und überzeugt dabei mit nachdrücklicher Textgestaltung.
Bastian Fuchs sorgt mehrfach für Grundierung der Chorsätze durch die Orgel, so auch bei zwei kurzen Motetten von Enjott Schneider, deren erste, „Das ist meine Freude“, die Sängerinnen und Sänger zu besonders prägnanter rhythmischer Diktion herausfordert. Breiten flächigen Klang entwickelt der Neue Kammerchor dagegen bei Steven Heeleins „In memoriam Irena Sendler“ und lässt die abschließend wiederholten „…immer“-Worte ins Unendliche verschweben.
Ekstatisch erklingt danach Wolfgang Rihms Passionsmotette „Tristis est anima mea“, aus deren Tonschichtungen immer wieder Dur-Klänge magisch hervorleuchten: eine Beschwörung der Madrigalkunst eines Gesualdo in neuem Gewand. Hauptwerk der ersten Programmhälfte sind dann die „Antiphonae ad lotionem pedum“ von Eberhard Kraus. Während der Bassist Christian M. Schmidt Timmermann den gregorianischen Gesängen zur Fußwaschung am Gründonnerstag vokale Gestalt gibt, sorgt Wolfgang Kraus an der Orgel für Kommentierung und Weiterführung der Texte in Form von „Recitativ“, „Dialog“, „Aria“, „Kanon“ oder „Trio“.
Nach der Pause agieren Hochschulchor und Neuer Kammerchor gemeinsam, wobei die Hörer oft mitten in den Klang hineingenommen werden, der von vorne wie von der rückwärtigen Empore herab erschallt. Aus dem Chor lösen sich immer wieder solistische Stimmen, und auch die Leitung wechselt, wenn Chormitglieder aus dem Kollektiv heraustreten, um für jeweils ein Stück die Dirigentenrolle zu übernehmen. In diesem zweiten Konzertteil hört man ebenfalls vorwiegend Werke von Komponisten, die enger oder weitläufiger mit der Hochschule verbunden sind.
Zu Wort und Klang kommen Wolfram Menschick mit einem in der Tonsprache eher traditionell gehaltenen „Cantatibus organis“, Widmar Hader mit „Lignum habet spem“, das der angesprochenen Hoffnung im Schlussklang noch eine skeptische Dissonanz beimischt, Otmar Faulstich mit einer herben, doch eindrücklichen „Vater-unser“-Vertonung sowie der Wiener Kirchenmusiker Peter Planyavsky mit einem „Jubilate“. Durch seine vollständige „Missa Alme Pater“ ist Franz Josef Stoiber vertreten: eine neo-modale Fassung des Ordinariums, welche im jubelnden Gloria den lydischen Ton harmonisch farbig erweitert, während Kyrie und Agnus Dei als ruhige Sätze im ersten Kirchenton durch metrische Irregularitäten reizvoll belebt werden.
Neue Musik muss nicht verstören, so zeigt dieser Abend, und sie kann sogar Charme entwickeln, wie bei den Zugaben deutlich wird: Eberhard Kraus’ kurzem „Rosen“-Chorsatz, der mehrfach beschleunigt vorgetragen als Pausen-End-Signal dient, und Hans Schanderls mit Conga rhythmisch begleiteter „Rosa das Rosas“, die eine altspanische Cantiga wie heutige iberische Folklore wirken lässt.
Fotos: Maximilian Bieberbach
erstmal neues 3“ von Gerhard Heldt ( 26.01.2012)
e r s t m a l n e u e s 2
am Dienstag 25.01.2011 um 19.30 Uhr
unter dem Motto "omnia mutantur, nihil interit" / alles ändert sich, nichts vergeht.
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Kritik des Konzertes am 26.01.2010 " e r s t m a l n e u e s "
http://www.mittelbayerische.de/nachrichten/kultur/kulturnachrichten-aus-der-mz/artikel//neue_musik_vom_feinsten/514790/neue_musik_vom_feinsten.html
Neue Musik vom Feinsten
Regensburg. Von Gerhard Heldt, MZ
Es ist recht still geworden um die Neue Musik, nicht nur hier, sondern auch anderenorts. Umso verdienstvoller ist es, dass der Neue Kammerchor der Hochschule für katholische Kirchenmusik und Musikpädagogik jetzt eine Reihe „erstmal neues“, die Uraufführungen aus dem neuen Jahrtausend bringt, startete.
Der erste Abend im gut besuchten Konzertsaal der Hochschule machte mit drei ebenso unterschiedlichen wie qualitätvollen Werken bekannt: dem „Lux aeterna I“ für Chor und Orgel des 1960 geborenen Hans Schanderl (Uraufführung 2001), der 2009 uraufgeführten Orgelsinfonie Nr. 7 „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ von Enjott Schneider, geboren 1950, und der ebenfalls 2009 erstmals vorgestellten „Gryphius-Kantate“ (Kantate der Vergänglichkeit) von Karl von Feilitzsch (1901-1981). Schanderls vier- bis achtstimmiges Werk basiert auf einer kurzen Skala mit der einmaligen Alteration des Tones B zum H; modal gehaltene Veränderungen erreicht er mit weitgespannter Dynamik und Wechsel der Stimmlagen. Expressiv-dichte Klangschichtungen wiederholen sich auf kleinstem Raum, zeugen von Beständigkeit des Ewigen. Der neue Kammerchor zeigte sich der intonatorisch schwierigen Aufgabe bestens gewachsen; Eva Maria Leeb, zuverlässig leitend, und Kunibert Schäfer an der Orgel waren Garanten für den nachhaltigen Eindruck, den die Präsentation dieser Komposition hinterließ.
Von Ewigkeit zu Ewigkeit
Enjott Schneider ist durch seine oftmals ausgezeichneten Filmmusiken bekannt geworden; hier kennt man ihn spätestens seit der Uraufführung seiner Kammeroper „Albert warum?“ 1998. Ein Schwerpunkt seines Schaffens sind programmatische Orgelsinfonien, deren 7. Kunibert Schäfer 2009 in der Basilika in Waldsassen uraufführte und sie nun in anderer Umgebung nochmals vorstellte. Er hat auf der Goll-Orgel wahre Wunder an Registrierungs-Feinheiten vollbracht, um den räumlichen Nachteil gegenüber einer großen Kirche auszugleichen, was ihm ausgezeichnet gelang. In der direkten Akustik des Konzertsaals vermittelten sich seine Intentionen „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ sehr eindringlich. Sowohl minimalistische Strukturen als auch der reizvolle Kontrast sehr hoher und sehr tiefer Register kamen bestens zur Geltung.
Klage über die Vergänglichkeit
Die Orchesterbegleitung der „Gryphius-Kantate“ (Kantate von der Vergänglichkeit) von Karl von Feilitzsch hatte der energisch leitende Steven Heelein für zwei Klaviere gesetzt, was das Werk klanglich noch näher an den Zeitgenossen Carl Orff rückte. Feilitzsch hat sich Passagen aus Texten von Andreas Gryphius, des Barockdichters Martin Opitz, aus dem Hohen Lied, dem Prediger Salomo, dem 90. Psalm und altorientalischer Lyrik zu einer umfassenden Klage über die Vergänglichkeit alles Irdischen zusammengestellt. Er fasst dies in massiv auftrumpfende Chöre, ergreifende Soli (Christa Schäfer, Alt; Sibrand Basa, Tenor; Christian Schmidt, Bass) und zart-lyrische Abschnitte – nie resignierend und nicht mit überschwänglicher Zuversicht. Die grandiose Leistung des Chores und der Solisten krönte einen vielversprechenden Auftakt!